Nachdem ich meinen Schlafplatz neben der Nackenkatze gefunden hatte, konnten Mama und Papa meine Rückseite genauer unter die Lupe nehmen. Sie stellten fest, dass ich bereits kastriert worden war. Auch dort war noch ein Faden vom vernähen der Wunde vorhanden. Mama und Papa beschlossen, unsere Tierärztin zu fragen, was da gemacht werden muss.
So wurde ich in eine gemütliche Box verfrachtet und hatte meinen ersten Besuch bei der Tante Doktor. Sie war sehr nett, aber leider nicht ganz zufrieden. Mein Impfpass war nicht richtig ausgefüllt und meine Wunden mit einem Faden vernäht, der eigentlich für Kühe und Pferde verwendet werden soll. Das hörte sich nicht gut an. Sie fing an, die Fäden zu ziehen und dort, wo der Knoten in der Haut saß, mit einer kleinen Pinzette herumzufummeln. Um ehrlich zu sein tat das ziemlich weh. Aber ich wollte mir nichts anmerken lassen, denn Mama und Papa sollten nicht denken, dass ich wehleidig wäre. Wie ein richtiger Katermann habe ich die Zähne zusammengebissen. An einer Stelle war es aber so schlimm, dass ich doch anfing zu weinen. Die Tierärztin hörte sofort auf und gab mich Papa in den Arm, der mich gleich getröstet hat. Wir bekamen eine Salbe, die ich nun aufgetragen bekommen sollte, damit der doofe Knoten sich besser auflöst. Mein Papa war ziemlich mitgenommen. Er kann es nicht gut haben, wenn Tiere weinen. Schon gar nicht so kleine Männer wie ich. Da leidet er immer sehr mit.
Fadenlos
Zu Hause angekommen, fiel Mama dann ein, dass sie gar nicht meine Rückseite erwähnt hat, wo auch noch ein Faden von der Kastration zu sehen war. Da ich aber nicht wieder zum Tierarzt gebracht werden wollte, beschloss Mama, den Faden selbst zu ziehen. Während ich in der Hängematte schlief, hat sie gaaanz vorsichtig den kleinen Knoten aufgemacht und den Faden herausgezogen. So hat sie es mir zumindest erzählt, denn mitbekommen habe ich davon nichts. Ich habe einfach weitergeschlafen.
Nach nur wenigen Tagen hat sich auch der letzte Knoten meiner großen Wunde gelöst und die Tierärztin konnte ihn ganz einfach rausziehen. Das tat nicht weh und alle waren ganz begeistert, wie tapfer ich war. Es gab tolle Leckerlis und ich war das erste Mal seit langer Zeit fadenlos.
Ein neues Zuhause in Sicht
Meiner Wunde ging es von Tag zu Tag besser. Fäden können manchmal die Heilung stören, aber nun stand einer vollständigen Genesung nichts mehr im Wege. Schnell hatte ich schon etwas Fell über meiner Narbe und sie begann langsam zu verschwinden.
Ich war sehr glücklich und zufrieden. Spielen, futtern, schlafen und kuscheln waren meine Lieblingsbeschäftigungen, bis eines Morgens eine Nachricht auf Mamas Handy war. Der Verein, über den ich nach Deutschland zu Mama und Papa auf die Pflegestelle kam, hatte eine Anfrage für mich erhalten. Zusammen mit einem anderen Kater sollte ich ein neues, dauerhaftes Zuhause bekommen. Mama las Papa die Nachricht vor. In Papas Gesicht machte sich sofort Traurigkeit breit. Papa hatte in den letzten Jahren seinen besten Freund Justus und seinen alten Oskar verloren. Seitdem hatte Papa sein Herz noch nicht wieder verschenkt. Die beiden alten Katermänner waren gefühlsmäßig seine Kater gewesen, sie waren sehr auf ihn bezogen und suchten seine Nähe mehr als die von Mama.
Er vermisste sie sehr.
Wie das in der Welt der Tiere nun mal so ist, verlassen wir unsere Familien nie ganz, wenn wir gehen. Wir bleiben in den Herzen unserer Menschen und haben dort unseren Platz. Die lebenden Tiere können die Geister der verstorbenen Tiere sehen und mit ihnen sprechen. Daher wissen wir auch immer ziemlich genau, was mit unseren Meschen los ist. Ihre alten Freunde und Gefährten lassen uns wissen, was unsere Mamas und Papas brauchen. Ich wusste also, dass Papa einen Freund nötig hatte. Daher habe ich mich schon in der ersten Nacht zu ihm gelegt und ihm gezeigt, dass ich nun für ihn da sein würde, so wie er auch für mich.
Freunde bleiben zusammen
Papa war sehr traurig und wollte nicht, dass ich wieder ging. Ich wollte das auch nicht, daher kletterte ich schnell auf Papas Arm und begann zu schnurren. Er sollte nicht wieder traurig sein.
Mama rollte mit den Augen. Sie wollte kein Pflegestellenversager sein, zumal ein neues Zuhause mit einem anderen jungen Kater ja eine schöne Option für mich war. Papa wollte mich aber nicht mehr hergeben. Er nahm mich fest in den Arm und drückte mich an sich. Mama sagte, dass ich dann wohl ab sofort Papas Kater sei. Das war ich sowieso schon, aber nun war es ausgesprochen und stand fest:
Ich durfte bleiben!